Wir ziehen alles außer Konsequenzen – organisieren wir die revolutionäre Jugend

Immer wieder hören wir in den Nachrichten, dass wir die unpolitische Generation seien. Wir wären irgendwo zwischen Desinteresse, Selbstverwirklichung und Langeweile hängen geblieben. Wir hätten so viele Möglichkeiten wie keine Generation vor uns und müssten uns nur für den Konkurrenzkampf mit anderen rüsten. Doch stattdessen würden wir nur feiern gehen oder verweichlicht auf dem Sofa liegen, uns mit Drogen zudröhnen und uns zu Netflix and Chill verabreden. Was ist nur los mit dieser Jugend – irgendwo zwischen Bildungsversagen und chemischen Substanzen gestrandet? Lehrer_innen, Chef_innen, Politiker_innen; später vielleicht irgendwann die Justiz, sie alle schauen mit Entsetzen auf eine Jugend auf der schiefen Bahn. Mittels Reformplänen werden Qualifizierungsmaßnahmen und neue Stellen für SozialarbeiterInnen geschaffen. Ziel ist die Befriedung der Kieze und Wiedererlangung der Kontrolle über diese Jugend.

Es sind diese Jugendlichen, die sich auf dem Amt stressen lassen, genauso wie die, die mit stiller Wut zur Uni oder Arbeit gehen; die in Läden klauen, weil es zum Kaufen nicht reicht, die Kontrolleur_innen in der Bahn aus dem Weg gehen; die nachts Scheiben splittern lassen, Wände beschmieren oder doch nur Gras rauchend in der Ecke sitzen, einfach weil sie es können; jene, die getrieben sind von der Ahnung, dass das, was ihnen erzählt wird, nicht das Leben ist, was sie wollen. Viele Jugendliche schweigen dazu, scheinen es hinzunehmen, nur die wenigsten widersetzen sich leise. Diese suchen den Konflikt und die Auseinandersetzung, hinterfragen die unumstößlichen Wahrheiten, die die Schule vermittelt, die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit und die Autorität der Polizei.

An diesem Punkt kommen wir zusammen: wir glauben nicht an die Idee der sozialen Partnerschaft und des falschen Friedens mit den Verhältnissen. Wir müssen uns vor Augen führen, dass die Interessen des Kapitals nicht unsere Interessen sind, dass wir den Mehrwert erarbeiten, der andere Menschen reich werden lässt, wir aber davon überhaupt nichts haben.

Verweigerung und Widerstand statt Konkurrenz
Und während sich noch alles um die Frage dreht, was mit dieser Jugend nicht stimmt, die sich angepasst gibt, und doch immer wieder den Ansprüchen und Anforderungen der Leistungsgesellschaft verweigert, wollen wir zum nächsten Schritt ermutigen: Lassen wir Antihaltung kein Zufall sein! Gegen die herrschenden Zustände hilft nur der organisierte Widerstand von unten: im Klassenzimmer, im Hörsaal oder im Betrieb.
Den Zumutungen des Alltags müssen wir dort begegnen, wo sie uns oder unsere Freundinnen und Freunde treffen. Es erfordert den klaren Widerspruch gegen ein Bildungssystem, das uns nichts beibringen soll außer Konkurrenzdenken und Wissen, welches uns einen Vorteil gegenüber anderen verschaffen will. Wir sollen Freundschaften nur noch als Netzwerke begreifen, die uns als wirtschaftlicher Vorteil dienen könnten. Wir sollen uns nur dann in Selbstständigkeit üben, wenn es ein Softskill für die spätere Karriere ist. Freiwilliges Engagement soll dabei völlig entpolitisiert als Beweis des guten Zeitmanagements dienen. Die grundsätzlichen Fragen werden in diesem Bildungssystem nicht nur nicht gestellt, sondern als gescheitert oder falsch dargestellt. Parallel dazu werden Lebensläufe vorgeprägt. Schulempfehlungen und Noten bereiten den Ausgangspunkt für ein Leben jenseits von Selbstbestimmung und Solidarität. Bereits in frühen Jahren erleben die Menschen, wie sie nach Nützlichkeit sortiert werden und manchmal bereits mit 10 Jahren als abgehängt gelten.

Vereinzelung und soziale Abgeschlagenheit sind deshalb nicht verwunderlich und lassen Menschen vergessen, dass es so, wie sie leben, nicht sein und auch nicht bleiben muss. Sie vergessen, wie wenig mehr außer etwas Organisierung und Mut es braucht, um feste Strukturen und Gegebenheiten ins Wanken zu bringen. Erinnern wir uns an die kleinen Lichtblicke in den letzten Jahren, als zum Beispiel im Jahr 2015 das europäische Grenzregime für einen kurzen Moment wankte und für alle überwindbar schien; als in Griechenland die Menschen ein Ende der Entbehrungen einforderten und europaweit das Wort „Oxi“ in den Sprachgebrauch Einzug hielt. All dies war ein Ausdruck dessen, dass der Widerstand von unten wartet und die Idee einer anderen Welt noch existiert.

Inzwischen sind diese Augenblicke jedoch gewichen. Verdrängt durch die normale, alltägliche Scheiße, die uns alle umgibt. Die Grenzsysteme verdichten sich wieder, die Armut in Griechenland nimmt immer existenzbedrohendere Ausmaße an. In Frankreich werden entrechtende Arbeitsmarktreformen über die Köpfe der Menschen hinweg verabschiedet. Europaweit erleben wir eine rechte Mobilisierung, die einfache Antworten auf die Konflikte der Gesellschaft geben will. Als wären die Fragen der Verwertung, der Zukunftsangst und der Perspektivlosigkeit so nicht schon schlimm genug.

Und auch wenn viele Lichtblicke wieder erloschen sind, auch wenn wir immer vergessen, dass die Menschen neben uns getrieben sind von den gleichen Sorgen und Wünschen, erinnern wir uns doch daran, dass es weltweit die Menschen immer wieder auf die Straßen und Plätze treibt; sie Betriebe und Schulen besetzen und sie zurückschlagen im Kampf für ein besseres Leben. Wir sind solidarisch mit all diesen Kämpfen.

Solidarität und Einheit
Angst und Frustration sowie die permanente Kontrolle über unser Leben und die Unnachgiebigkeit des kapitalistischen Systems spalten und vereinzeln uns. Vereinen wir uns deshalb trotz alledem als Jugend im Zorn und Widerstand gegen die staatlichen Versuche, uns diese beschissenen Lebensbedingungen aufzuzwängen. Gegen die Bullen und Jugendgerichtshilfe, die diese durchsetzen sollen, gegen Bildungsapparate, die uns Konkurrenz, Wettbewerb und Verwertung lehren wollen. Kämpfen wir für unsere Vorstellung einer Welt jenseits von Ausbeutung und Unterdrückung und die Vorstellung eines solidarischen Zusammenlebens mit der Möglichkeit freier Entfaltung. Kommen wir den Herrschenden in einem Punkt entgegen: Beenden wir ein Leben ohne Perspektive und fangen wir an, uns zu organisieren! Bilden wir uns jenseits der Bildungsinstitute und lassen wir Solidarität wieder eine Waffe sein.

Für den Kommunismus!

Wir ziehen alles außer Konsequenzen – organisieren wir die revolutionäre Jugend